Die EU-Staaten und das EU-Parlament haben sich auf ein Verbot von „Payment for Order Flow“ (PFOF) geeinigt. Innerhalb der Finanz-Community wird diese Entscheidung überwiegend als fragwürdig aufgenommen.

Ein Grund, sofort die Cashreserve zu plündern und möglichst alle verfügbaren Mittel noch schnell zu den günstigen Konditionen zu investieren? So dringend ist es nicht und wir haben Zeit bis 2026. In diesem Artikel schauen wir uns die Hintergründe und die Kritik einmal genauer an.

Was ist Payment for Order Flow?

Fangen wir ganz am Anfang an: Was ist Payment for Order Flow und welchen Vorteil haben Broker dadurch? PFOF bezeichnet Rückvergütungen (sogenannte „Kickbacks“), die beispielsweise die Neobroker Scalable Capital und Trade Republic von ihren Handelspartnern für die Weiterleitung von Orders auf ihre Plattform erhalten. Durch dieses Modell können besonders günstige Ordergebühren angeboten werden, da die Vergütung für eine Order an eine Zahlung zwischen dem Drittanbieter (z.B. bei Trade Republic L&S Exchange) und dem Broker gekoppelt ist. Der Handelspartner wird also, wie der Name schon sagt, für die Weiterleitung des Orderflows vergütet.

Was ist die Kritik an Payment for Order Flow?

Kritiker argumentieren, dass die Neobroker die Kundenaufträge nicht an die Handelsplätze mit den besten Kursen weiterleiten, sondern an diejenigen mit den höchsten Rückvergütungen. Ausgangspunkt dieser Kritik ist, dass Rückvergütungen zu Interessenkonflikten bei den Brokern führen können, die für die Weiterleitung der Kundenaufträge verantwortlich sind.

Bereits im Juli 2021 wurde von der europäischen Finanzaufsicht (ESMA) eine Stellungnahme veröffentlicht, die in der gängigen Praxis „Payment for Orderflow“ einen Interessenkonflikt zulasten der Kunden sieht. (Quelle: esma.europa.eu)

Was bedeutet ein Verbot für die Gebührenmodelle der Neobroker?

Durch das Geschäftsmodell „Payment for Orderflow“ profitieren Privatanleger bisher stark durch niedrigere Ordergebühren. Eine Ausführung auf Xetra oder den klassischen Börsen kostet beispielsweise bei Direktbanken gut und gerne mehr als 10 €. Eine Ausführung an der LS Exchange oder Tradegate über einen Neobroker ist dagegen für 0,00 € möglich. Ein tatsächlicher Nachteil würde nur dann entstehen, wenn die Preisqualität an den angebotenen Handelsplätzen schlechter wäre.

Für uns als Privatanleger hat das Modell während der regulären Handelszeiten überwiegend Vorteile. Dies hat auch die Stiftung Warentest in einer Untersuchung im März 2020 festgestellt. Hier konnten keine Auffälligkeiten bei den im Rahmen der Stichprobe untersuchten Kursstellungen festgestellt werden. Auch die BaFin hat kürzlich eine Untersuchung dazu durchgeführt, bei der sie 30 Prozent der Transaktionen in Deutschland untersucht hat. Mit dem Ergebnis: Bei Kundenaufträgen mit kleineren Volumina war die Ausführung mit PFOF überwiegend vorteilhaft. Nur bei hohen Transaktionsvolumina und geringer Liquidität gab es Nachteile. Quelle: bafin.de

Von einem PFOF-Verbot sind vermutlich vor allem Aufträge mit kleineren Beträgen, wie z.B. monatliche Aktien-Sparpläne, betroffen.

Was passiert mit den Neobrokern?

Ich glaube nicht, dass wir vor dem „Aus“ der Neobroker stehen, aber dieses Verbot wird sicherlich dazu führen, dass die Broker in den nächsten drei Jahren ihre Geschäftsmodelle entsprechend anpassen müssen. Im schlechtesten Fall bedeutet dies insgesamt höhere Ordergebühren für alle und möglicherweise auch das Ende von kostenlosen Aktien- und ETF-Sparplänen. Denkbar wären auch Modelle, wie sie Scalable Capital* bereits anbietet, die über eine monatliche Flatrate oder ein monatliches Abonnement funktionieren. Im Rahmen des Abos könnten die Sparpläne dann eventuell weiterhin kostenlos laufen. Das sind bisher nur meine Vermutungen. Generell muss man aber sagen dieses Verbot „schützt“ nicht wirklich die Verbraucher, sondern eher die etablierten Börsenplätze mit ihren Gebührenmodellen.

Insgesamt gehe ich davon aus, dass der große Erfolg der letzten Jahre, insbesondere durch die niedrigen Gebühren und die Senkung der Einstiegshürden in den Aktienmarkt, dafür spricht, sich nicht durch ein PFOF-Verbot die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Unsere Neobroker werden sicherlich neue und innovative Modelle entwickeln, um auch in diesem möglicherweise veränderten Marktumfeld bestehen zu können.

Was können Privatanleger tun?

Im WELT-Podcast Alles auf Aktien ist Erik Podzuweit, Mitgründer von Scalable Capital, zu Gast und spricht unter anderem über die daraus resultierende Bevormundung und die Auswirkungen auf junge Anlegerinnen und Anleger. Bei 01:23:35 ruft er dazu auf, sich an seine Abgeordneten im Europäischen Parlament zu wenden. „Wendet euch an eure Europaabgeordneten und sagt ihnen, dass die private Geldanlage gerade für kleine und junge Anleger super wichtig ist. (…) Die Hoffnung ist, dass die Leute da noch ein bisschen aufwachen.“

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📕 Dieser Beitrag ist Teil des Aktiengram Börsenlexikons.
Hier findest du zahlreiche Begriffserklärungen, möglichst einfach und mit Beispielen beschrieben.

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7 Gedanken zu „Payment for Order Flow (PFOF)“

  1. Super zusammengestellt, danke! Ich frage mich warum die Lobby bzw Deutsche Börse oder Xetra nicht einfach auch an PFOF teilnehmen und davon profitieren

  2. Vielleicht könnten sich ja die Finfluenzer zusammentun und einen Musterbrief erstellen den man den netten Herren und Damen der EU zukommen lassen könnte

  3. Die ganzen jahre wurde versucht den deutschen die aktie schmackhaft zu machen. Es war schon ein guter anfang wenigstens mit kleinen ordergebühren den aktienkauf interessant zu machen. Aber wie man sieht entgeht durch diese neo brocker den etablierten banken eine menge geld. Ein schelm wer böses dabei denkt

    Bruno

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