Häufig handelt es sich lediglich um einen Aktiensplit, wenn die Aktionäre quasi über Nacht von einem starken Kursverlust überrascht werden. Nicht so in diesem Fall: Gestern Abend wurde bekannt, dass das Unternehmen Varta eine „finanzielle Neuaufstellung mit StaRUG-Verfahren“ durchführen möchte.
ℹ️ Aktuell gibt es auch Informationen von der DSW. (Gesehen in der Story von @cwroehl.) Hier wird heute um 16 Uhr ein für alle offener Aktionärs-Call via Zoom angeboten. Quelle & Link zum Call: https://x.com/marc_tuengler/status/1818185030738293243
Nachricht des Unternehmens

Im Pressebereich von Varta lässt sich die vollständige Meldung nachlesen, beginnend mit folgender Aussage: „Die VARTA AG hat heute entschieden, kurzfristig beim zuständigen Amtsgericht Stuttgart die Durchführung eines Restrukturierungsvorhabens nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (kurz: StaRUG) anzuzeigen.“
Was bedeutet „StaRUG“?
Die Abkürzung steht für das Gesetz zum „Rahmen zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen“. Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Regelwerk gibt Unternehmen in der Krise verschiedene Werkzeuge an die Hand, um eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu unterstützen. Ziel ist ein Sanierungskonzept und damit die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens.
- Ziel: Das Gesetz soll Unternehmen helfen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, aber noch nicht insolvent sind.
- Frühzeitige Hilfe: Es ermöglicht Unternehmen, schon früh Maßnahmen zu ergreifen, um eine Insolvenz zu vermeiden.
- Flexibilität: Das Gesetz bietet verschiedene Instrumente zur Sanierung, die Unternehmen je nach Bedarf einsetzen können.
- Verhandlungen mit Gläubigern: Unternehmen können unter gerichtlicher Aufsicht mit ihren Gläubigern verhandeln, um Schulden zu restrukturieren.
- Schutz vor Zwangsvollstreckungen: Während der Verhandlungen können Unternehmen vor Zwangsvollstreckungen geschützt werden.
- Mehrheitsentscheidungen: Nicht alle Gläubiger müssen zustimmen; eine Mehrheit kann ausreichen, um einen Restrukturierungsplan durchzusetzen.
- Fortführung des Geschäfts: Das Unternehmen bleibt während des Prozesses handlungsfähig und kann weiter geführt werden.
Zusammengefasst gibt das StaRUG Unternehmen in der Krise mehr Möglichkeiten, sich zu sanieren und eine Insolvenz zu vermeiden, ohne den normalen Geschäftsbetrieb komplett einstellen zu müssen.
Kritik aus Perspektive der Privatanleger (Kleinaktionäre)

Doch es gibt einige Kritikpunkte die zeigen, dass das StaRUG, obwohl es Unternehmen helfen soll, möglicherweise nicht immer die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt. Die Debatte darüber, wie man einen fairen Ausgleich zwischen der Rettung von Unternehmen und dem Schutz von Privatanlegern schaffen kann, ist weiterhin aktuell.
- Eingeschränkte Mitspracherechte: Kleinaktionäre haben oft weniger Einfluss auf Entscheidungen im Restrukturierungsprozess.
- Mögliche Verwässerung: Restrukturierungsmaßnahmen können zu einer Verwässerung der Anteile von Kleinaktionären führen.
- Informationsasymmetrie: Kleinaktionäre haben möglicherweise weniger Zugang zu Informationen über den Restrukturierungsprozess als größere Investoren.
- Überstimmungsgefahr: Größere Aktionäre oder Gläubiger könnten Entscheidungen durchsetzen, die für Kleinaktionäre nachteilig sind.
- Komplexität des Verfahrens: Für Kleinaktionäre kann es schwierig sein, das komplexe Restrukturierungsverfahren zu verstehen und ihre Interessen effektiv zu vertreten.
- Begrenzte Rechtsmittel: Die Möglichkeiten, gegen Entscheidungen im Restrukturierungsprozess vorzugehen, können für Kleinaktionäre eingeschränkt sein.
- Potenzielle Benachteiligung: Es besteht die Sorge, dass die Interessen von Kleinaktionären gegenüber denen größerer Anteilseigner zurückstehen könnten.
Die bisherigen Anteilseigner (Altaktionäre) müssen dabei nicht zwangsläufig leer ausgehen, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, was zu einem Einbruch des Aktienkurses führt.
Erklärung als YouTube Video
Eine tolle Erklärung gibt es auf dem YouTube Kanal von Matthias Schmitt:
Welche Auswirkung hat StaRUG auf die Aktionäre?
Um es drastisch auszudrücken: Durch dieses Gesetz kann es passieren, dass die bisherigen Aktionäre enteignet werden, ohne dafür entschädigt zu werden. Denn die Regelung erlaubt es, eine Gruppe von Aktionären unterschiedlich zu behandeln, also beispielsweise einen Großaktionär an einer Kapitalerhöhung teilnehmen zu lassen, gleichzeitig aber alle anderen Aktionäre aber davon auszuschließen.
Die Restrukturierung nach StaRUG führt somit zu einer Kapitalherabsetzung auf Null und damit zu einer vollständigen Enteignung der Aktionäre. Nur ein ausgewählter Großaktionär hat anschließend die Möglichkeit, eine Kapitalerhöhung zu zeichnen und an der Zukunft des Unternehmens teilzuhaben. Alle übrigen Aktionäre gehen leer aus.
Aktie vom Handel ausgesetzt
Zeitweise wurde der Handel mit der Aktie heute zum Börsenstart ausgesetzt.

StaRUG am Beispiel der Leoni AG
„Mit dem StaRUG zur neuen deutschen Sanierungskultur“ heißt es in der Überschrift eines Artikels von Deloitte im Falle der der Leoni AG. Dieser wird hier „als Blaupause für ein erfolgreiches StaRUG-Verfahren“ genannt.
Den Totalverlust der Aktien wollen die DSW und einige enteignete Leoni-Aktionäre nicht hinnehmen. Eine Schadenersatzforderung in dreistelliger Millionenhöhe steht im Raum. Zum Artikel im Finance Magazin.
Weitere Informationen: Aktuelle Informationen zur Sanierung des VARTA-Konzerns (Webseite des Unternehmens)
Update am 17. August
Der angeschlagene Batteriehersteller Varta hat sich am 17. August mit seinen Gläubigern auf ein Sanierungskonzept geeinigt. Im Zuge dessen wird das Grundkapital des Unternehmens auf null Euro herabgesetzt, wodurch alle bisherigen Aktionäre entschädigungslos aus dem Unternehmen ausscheiden. Zudem wird die Börsennotierung von Varta eingestellt. Hier geht es zur vollständigen Nachricht auf der Unternehmenswebseite.
Unternehmensprofil Varta
Klassifikation nach GICS Sektor: 🏭 Industrieunternehmen (Industrials)
ISIN: DE000A0TGJ55
WKN: A0TGJ5
Die Varta AG erforscht, entwickelt, produziert und vertreibt über ihre Tochtergesellschaften weltweit Mikrobatterien, Haushaltsbatterien und Energiespeicherlösungen. Das Unternehmen ist in zwei Segmenten tätig: Lithium-Ionen-Lösungen & Mikrobatterien und Haushaltsbatterien. Das Segment Lithium-Ionen-Lösungen & Mikrobatterien umfasst Zink-Luft-Batterien, die hauptsächlich in Hörgeräten verwendet werden, Lithium-Ionen-Batterielösungen für drahtlose Kopfhörer, tragbare Geräte, die medizinische Geräte zur Messung von Blutdruck, Blutzucker und anderen Körperfunktionen sowie die Stromversorgung für COVID19-Antikörpertests umfassen, sowie wiederaufladbare Batterielösungen für Industrie- und OEM-Kunden, die in verschiedenen Anwendungen wie Servern, Autoschlüsseln, Alarmanlagen oder intelligenten Messgeräten zum Einsatz kommen.
Dieses Segment befasst sich auch mit der Entwicklung, Systemintegration und Montage von Lithium-Ionen-Batteriepacks für tragbare Industrie- und Kommunikationsgeräte, Elektrowerkzeuge, Haus und Garten sowie medizinische Anwendungen. Das Segment Haushaltsbatterien bietet Haushaltsbatterien, wiederaufladbare Batterien, Ladegeräte, Power Banks, Leuchten und Energiespeichersysteme an. Das Unternehmen wurde 1887 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Ellwangen, Deutschland. Die Varta AG ist ein Tochterunternehmen der Montana Tech Components AG.
Meine eigenen Accounts sind hier verlinkt, darüber hinaus habe ich keine. ⚠️ Passt hier immer auf, auch bei TikTok, WhatsApp und anderen Plattformen gibt es häufig Fake Accounts, die meine Inhalte duplizieren und euch teilweise sogar aktiv anschreiben.
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Hallo Lisa, danke für die Aufklärung. Mich würde interessieren was bestehende Aktionäre von Varta jetzt machen. Verkaufen? Halten?
Die meisten haben wohl verkauft, sonst wäre der Kurs nicht so eingebrochen. Ob das jetzt langfristig eine gute Entscheidung ist, wird sich mit der Zeit zeigen. Für sich selber muss man immer schauen, ob man an das Unternehmen noch glaubt oder nicht. Wird jetzt natürlich erschwert, da der Geschäftsbericht des letzten Jahres immer noch nicht da ist. Und ich konnte auch seit Q3 2023 keine neueren Geschäftszahlen auf der Investor-Seite des Unternehmens sehen.